Die unglaubliche Vielfalt an Obst- und Gemüsesorten, die es heutzutage in Supermärkten und auf Wochenmärkten zu kaufen gibt, ist oft trügerisch. Zwar sieht es nach einer großen Auswahl aus, doch bei genauerem Hinschauen stellt man fest, dass es sich oftmals nur um einige wenige Sorten handelt. Der Großteil der historischen Kultursorten ist aus dem Handel verschwunden.
Als ich mich vor einiger Zeit intensiver mit dem Thema Kulturpflanzenvielfalt und Ernährungssicherheit auseinanderzusetzen begann, war ich überrascht, wie groß der Verlust an genetischer Vielfalt im Laufe der Zeit geworden ist. Alte, oft regional angepasste Nutzpflanzensorten machen nur noch einen Bruchteil der heutigen Produktion aus.
Dabei erfüllten diese Sorten über Jahrhunderte eine lebenswichtige Funktion für die Menschheit: Sie trugen entscheidend zur Versorgung der Bevölkerung mit vielfältigen, nahrhaften Lebensmitteln bei und sicherten die Ernährung. Ihre enorme genetische Vielfalt ermöglichte es, dass selbst unter schwierigen klimatischen Bedingungen Ernten eingebracht werden konnten.
Nehmen wir als Beispiel die unzähligen regionalen Tomatensorten, die es früher gab. Angefangen bei schmackhaften Fleischtomaten über aromatische Cocktailtomaten bis hin zu säureärmeren Solosorten – die Palette war riesig. Jede Sorte hatte besondere Eigenschaften und stammte oftmals aus einer bestimmten Gegend, in der sie sich über viele Generationen den dortigen Anbaubedingungen angepasst hatte.
Heute ist diese Vielfalt von einigen wenigen Hybridsorten abgelöst worden, die vor allem auf Merkmale wie hohen Ertrag, Transportfähigkeit und gleichmäßige Ausbildung gezüchtet sind. Geschmack und regionale Anpassungsfähigkeit spielen dabei oft eine untergeordnete Rolle.
In meinen Augen ein großer Fehler, denn gerade die natürliche genetische Unterschiedlichkeit traditioneller Sorten macht sie so wertvoll. Diese angereicherte Gendiversität bildet die Grundlage für die Züchtung neuer, an den Klimawandel oder Krankheiten angepasster Pflanzensorten. Des Weiteren können robuste Kultursorten in anspruchsvollen Anbauregionen überlebenswichtige Ernten sichern.
Ein Paradebeispiel sind die zahlreichen Hirsearten und speziellen Getreidesorten, die in heißen, trockenen Gebieten der Welt kultiviert werden. Dank ihrer natürlichen Resistenz und dem wirtschaftlichen Umgang mit Wasser ermöglichen sie dort noch die Nahrungsmittelproduktion.
Bei meinen Recherchen bin ich auf viele beeindruckende Projekte gestoßen, die sich dem Erhalt dieser vielfältigen Kultursorten verschrieben haben. So haben etwa die unermüdlichen Sammlungen und Schauanbau von Genbanken wie der Universität für Bodenkultur Wien oder der Arche des Geschmacks von Slow Food dazu beigetragen, viele alte, wertvolle Sorten vor dem Aussterben zu bewahren.
Aus persönlicher Sicht halte ich diese Bemühungen für überaus wichtig. Traditionsreiche Kultursorten sind nicht nur ein Kulturgut, das es zu erhalten gilt – sie bilden vor allem eine wertvolle genetische Ressource für die Welternährung. Mit ihrer großen Anpassungsfähigkeit an Umwelteinflüsse und lokale Wuchsbedingungen können sie entscheidend zur globalen Ernährungssicherheit beitragen.
Deshalb sollten wir diese Sorten nicht nur in Genbanken konservieren, sondern auch für die aktive Nutzung in der Landwirtschaft und im Hobbygarten fördern. Nur so lassen sich ihr wertvoller Genpool und die regionalen Besonderheiten lebendig erhalten.
Wir persönlich haben bei unseren Anbaubemühungen im Hausgarten schon einige robuste Raritäten für uns entdeckt. So freue ich mich jedes Jahr auf die knackigen Rittersberger Kir-Erbsen oder den fleischigen Gelben Ingwer von Baumgarten. Was für ein Genuss!
Mit jedem Beitrag zur Wiedereinführung dieser Sorten leisten wir einen wichtigen Schritt für die Kulturpflanzenvielfalt und Zukunft der globalen Ernährung.